Sektion 11: Mündliche Kommunikation: Positionieren – Aushandeln – Partizipieren
Moderatorinnen: Miriam Morek (Universität Duisburg-Essen), Esther Wiesner (Pädagogische Hochschule FHNW)
Hörsaal 30
Die Fähigkeit, mit Mitmenschen ähnlicher oder widerstreitender Ansichten und Werte in unmittelbaren kommunikativen Austausch zu treten, um gesellschaftliche Interessen und Veränderungen voranzubringen und/oder Konflikte zu lösen, ist zentral für demokratische Teilhabe. So war auch mit der Einrichtung des Lernbereichs ‚Mündliche Kommunikation‘ in den 1970er Jahren ganz wesentlich das Ziel einer „Erziehung zur Mündigkeit“ verbunden: Schüler:innen sollten im Deutschunterricht auf politische Mitbestimmung vorbereitet werden und die dafür essenziellen kommunikativen Kompetenzen erlangen.
Auf dem 24. Symposium fragen wir danach, wie es mit der Dimension des Politischen für das „Sprechen und Zuhören“ rund fünfzig Jahre später aussieht. Hierfür stellen sowohl die interaktions- und gesprächsanalytische als auch die sprach- und literaturdidaktische Forschung der letzten Jahre vielfältige theoretische und empirische Anknüpfungspunkte bereit. Zu denken ist hier beispielsweise an Arbeiten zur Aneignung und Vermittlung mündlicher Argumentations- und Erklärfähigkeiten, zu sozialen Aushandlungs- und Positionierungsprozessen (vgl. Kotthoff & Heller 2020) in (unterrichtlichen) Interaktionssituationen (z.B. Wissens- und Deutungsansprüche, Setzung moralischer oder sprachbezogener Normen) (Knoblauch et al. 2017) oder zu Fragen von (ungleicher) Partizipation an mündlichen Kommunikations- und Lernprozessen (vgl. z.B. Hauser/Nell-Tuor 2019; Quasthoff et al. 2021). Für den schulischen Deutschunterricht geht es auch um die Frage, wie die fachliche Auseinandersetzung mit genuinen Gegenständen des Deutschunterrichts zur Entwicklung demokratieorientierten sprachlichen Handelns im Mündlichen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler beitragen kann. Zudem rücken Formen kooperativen und sozialen Lernens im Deutschunterricht (z.B. Klassenrat, Partnerarbeit) in den Fokus, die auf gemeinschaftliches Problemlösen und Austausch unter Peers gerichtet sind. Und schließlich ist auch danach zu fragen, welche Rolle Lehrkräften bei der Vermittlung von Gesprächsfähigkeiten zukommt, etwa als Gestalter:innen und Moderator:innen unterrichtlicher Prozesse oder als Sprachvorbild. Der letztere Aspekt ist verbunden auch mit der professionalisierungsbezogenen Frage danach, wie (angehende) Lehrpersonen in Aus- und Weiterbildung die nötigen professionellen Kompetenzen im Bereich der Mündlichkeit aneignen können.
Vor diesem Hintergrund befassen sich die Sektionsbeiträge aus Forschungs- und/oder Entwicklungsperspektive mit folgenden Fragen:
- Wie vollziehen sich mündliche (Problem-)Aushandlungs- und Positionierungsprozesse im Deutschunterricht und welche Potenziale haben sie, um Partizipationsfähigkeit zu fördern?
- Wie können Schüler:innen im Deutschunterricht mündliche Sprachhandlungskompetenz für Konflikte und Problemlösungen erwerben? Wie kann die Partizipation unterschiedlicher Lernender gelingen?
- Wie können Lehrpersonen dafür professionalisiert werden, demokratieorientierte Interaktions- und Erwerbsprozesse anzuleiten, zu begleiten und zu reflektieren?
Literatur:
Hauser, S. / Nell-Tuor, N. (2019): Sprache und Partizipation im Schulfeld. hep der bildungsverlag.
Knoblauch, H. / Wiesner, E. / Isler, D. / Künzli, S. (2017): Wissen Lernen – Kommunikatives Wissen am Beispiel einer vorschulischen Bildungseinrichtung. In: Kraus, A. / Budde, J. / Hietzge, M. / Wulf, C. (Hgg.): «Schweigendes» Wissen in Lernen und Erziehung, Bildung und Sozialisation (S. 813–825). Juventa.
Kotthoff, H. / Heller, V. (2020): Ethnografien und Interaktionsanalysen im schulischen Feld. Diskursive Praktiken und Passungen interdisziplinär. Narr Francke Attempto.
Quasthoff, U. / Heller, V. / Morek, M. (Hgg.) (2021): Diskurserwerb in Familie, Peergroup und Unterricht. Passungen und Teilhabechancen. De Gruyter.
Montag, 19.9.2022
10.15-10.30 | Einführung durch die Moderatorinnen |
Mündliche Aushandlungs- und Kommunikationspraktiken von Kindern | |
10.30-11.15 | Judith Kreuz / Stefan Hauser: Der Klassenrat als schulisches Gremium für Partizipation und Demokratiebildung. Ergebnisse einer Längsschnittstudie zum Klassenrat |
11.15-12.00 | Noelle Kinalzik: Wie erklären Kinder konzeptuelle, prozedurale und kausale Zusammenhänge? – Befunde aus einem Dissertationsprojekt zum mündlichen Erklären von Kindern mit heterogenen Lernausgangslagen |
Eröffnung von Partizipation in Unterrichtsgesprächen | |
14.00-14.45 | Helen Lehndorf: Dialoge zu Literatur in Berliner „Brennpunktschulen” – Beteiligungsrollen und Partizipationsmöglichkeiten in dialogischen Unterrichtssettings |
14.45-15.30 | Katrin Kleinschmidt-Schinke / Thorsten Pohl: Das Phänomen der Stille in der Unterrichtskommunikation – wait-time im Fokus |
15.30-15.45 | Diskussion |
Dienstag, 20.9.2022
Kompetenzen von Lehrkräften in der Mündlichkeit und ihre Professionalisierung | |
10.15-11.00 | Sarah Römer: Wie lesen angehende Lehrkräfte vor? |
11.00-11.45 | Frederike Schmidt: Das sprachliche Handeln von Lehrpersonen als Lernangebot. Ein potenzieller Qualitätsaspekt im Gespräch über literarische Texte |
11.45-12.30 | Betül Dursun / Claudia Hefti / Judith Maier / Dieter Isler: Erwerbsunterstützung mündlicher Textfähigkeiten im Kindergarten – Ergebnisse der Interventionsstudie EmTiK |
14.00-14.45 | Miriam Morek / Vivien Heller: Wenn Lehrkräfte diskurserwerbsförderliche Unterrichtsgespräche umsetzen – Rekonstruktion von Aneignungsphänomenen im Rahmen eines Professionalisierungsprojekts |
14.45-15.30 | Daniela Merklinger: Anpassungspraktiken im Gespräch aufbrechen – Mündigkeit ermöglichen: Der Dialog in der Lehrer:innenbildung |
15.30-15.45 | Abschließende Diskussion |
Abstracts der einzelnen Vorträge
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