Panel 8: Politisches Lernen durch fantastische Kinder- und Jugendliteratur? Teil I: Themen
Moderator:innen: Ines Heiser (Phillips-Universität Marburg), Jana Mikota (Universität Siegen)
Mittwoch, 21.9.2022 10.15-12.30, Seminarraum 5
Dass literarische Texte Aussagen über außerliterarische Sachverhalte treffen und mit ihrer Erstellung, Verbreitung und Nutzung eine politische Agenda verbinden können, ist unstrittig. Zumeist werden solche Verbindungen für Texte hergestellt, die realistische Erzählwelten entwerfen. In der Allgemeinliteratur wäre hier auf die politische Lyrik des Vormärz oder auf Dramen von Brecht zu verweisen, ebenso jedoch auf die Instrumentalisierung von Literatur im Nationalsozialismus. In der Literatur für Kinder und Jugendliche ist u.a. an Texte der dokumentarisch-antiautoritären Kinder- und Jugendliteratur der 1960er und 1970er Jahre zu denken (z.B. Bücher von Gudrun Pausewang, aber auch die Verarbeitung der Shoah) oder die realistische Kinder- und Jugendliteratur nach 2000. Im didaktischen Kontext werden solche Texte dazu genutzt, Lernende an politisches Denken heranzuführen, um politische Haltungen zu reflektieren und über solche Prozesse der Bewusstseinsbildung einen Beitrag zur Demokratieerziehung zu leisten.
Für phantastische Texte gilt dies kaum: Obwohl es sich dabei um die bei jungen Lesenden beliebteste Erzählweise handelt, werden von erwachsenen Literaturvermittler:innen nur selten politische Bezüge hergestellt. Politisches Denken und fantastische Kinder- und Jugendliteratur bilden jedoch keinen Gegensatz, was sich bereits in der fantastischen Kinderliteratur seit den 1970er Jahre zeigt. Texte von Michael Ende, Paul Maar oder Christine Nöstlinger verstehen sich als Gegenentwürfe zu einer realistischen Kinder- und Jugendliteratur und kritisieren selbstverständlich patriarchale Strukturen oder autoritäre Kindheitsmuster. Seit 2000 nimmt die phantastische Kinder- und Jugendliteratur auch Anteil an ökologischen Diskursen und es werden dort etwa Differenzkategorien wie class, gender und race diskutiert.
Ausgehend von Abrahams Modell der realitätsbezogenen Diskurse in der literarischen Phantastik stellen wir Vorträge zusammen, die zeigen, wie Politisches auch im Modus des Phantastischen codiert sein kann. Daran knüpfen wir jeweils die Frage an, wie dieser Gehalt für politisches Lernen fruchtbar werden kann: V.a. junge Lesende mit noch geringer literarischer Erfahrung sind dafür zu sensibilisieren, dass und wie auch scheinbar fremde Erzählwelten politische Einstellungen prägen. Ziel ist es, implizites politisches Lernen durch phantastische Lektüren sichtbar zu machen, um so gezielt explizite Prozesse politischen Lernens mit phantastischer Kinder- und Jugendliteratur anstoßen zu können.
Literatur:
Abraham, Ulf (2012): Fantastik in Literatur und Film. Eine Einführung für Schule und Hochschule. Berlin: Erich Schmidt.
Brittnacher, Hans-Richard; May, Markus (Hg.) (2013): Phantastik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: J. B. Metzler.
Jantzen, Christoph; Ritter, Alexandra; Ritter, Michael (2020): Faszination Zauberwelt. Neue Perspektiven auf die Fantastik in Kinder- und Jugendmedien. Kjl&m, Jg. 72, H. 20.
Mohr, Judith (2012): Zwischen Mittelerde und Tintenwelt. Zur Struktur Fantastischer Welten in der Fantasy. Frankfurt a. M.: Peter Lang.
Kontakt: ines.heiser@uni-marburg.de, mikota@germanistik.uni-siegen.de
Abstracts der einzelnen Vorträge
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