Panel 5: Literaturdidaktik der „postmigrantischen Gesellschaft"

Moderatorin: Nazli Hodaie (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd)

Dienstag, 20.09.2022 10.15-12.30, Hörsaal 3

Perspektiven und Konstellationen der „postmigrantischen Gesellschaft“ sind ein zentrales politisches Thema unserer Gegenwart. Dem Begriff des Postmigrantischen ist „eine Kritik an [der] Beschäftigung mit Migration [immanent], die Wanderung vorrangig problematisiert und binäre Kategorien verfestigt“ (Foroutan et al. 2018: 10). Zur Folge hat dies eine „reduktionistische Wissensproduktion“ (ebd.) und im Zuge dessen die diskursive Konstruktion von defizitären „Migrationsanderen“ (Mecheril 2010). Das postmigrantische Paradigma strebt hingegen eine gegenhegemoniale Wissensproduktion an. Sein übergeordnetes Ziel ist es, das Phänomen der Migration neu zu erzählen und zu interpretieren und Migrationserfahrungen insofern zu normalisieren, als diese von ihrer im öffentlichen Diskurs vorhandenen Konnotation des Ausnahmezustandes gelöst werden. Das Postmigrantische verkörpert somit eine „kontrapunktische Deutung gesellschaftlicher Verhältnisse“ (Yildiz 2018: 31). Als solche suspendiert es soziale Sortierungen und stellt konstruierte und statisch-binäre Kategorien der (Nicht-)Zugehörigkeit in Frage, auch weil es den Blick auf migrationsgesellschaftliche Uneindeutigkeiten, Hybriditäten, Überschneidungen und Überlappungen lenkt. Und es macht „marginalisierte Wissensarten sichtbar“ (ebd.: 21), die ihrerseits die genannte reduktionistische Wissensproduktion über Migration außer Kraft setzen. Somit bricht es mit der hegemonialen Lesart der Migration und weist in diesem Sinne durchaus Parallelen zum postkolonialen Diskurs auf.

In dem Panel soll es darum gehen, die postmigrantische Perspektive in die literaturdidaktische Diskussion einzuführen. Wir fragen: Wie können literarische Rezeptionsprozesse dazu beitragen, hegemoniale Blickregime zu unterwandern, gesellschaftliche und kulturelle Diversität als Normalfall zu bewerten und im Sinne dominanzkritischer Strategien (vgl. Rösch 2017) Perspektiven der Mehrheitsgesellschaft mit Perspektiven der Diversität zu konfrontieren? Welche Texte der postmigrantischen Gegenwartsliteratur eignen sich als Gegenstände des Literaturunterrichts, um konventionelle Wahrnehmungsmuster zu durchbrechen und einen herrschaftsfreien Umgang mit Diversität denkbar zu machen? Welche Texte der Kinder- und Jugendliteratur können in diesem Sinne emanzipatorische Lernprozesse initiieren? Wie kann eine Arbeit am Kanon definiert werden, mit der aus postmigrantischer Perspektive neue Potentiale der literarischen Tradition entdeckt und deren Aktualität neu bestimmt werden kann? Vor dem Hintergrund dieser Fragen ergeben sich folgende Themen des Panels:

  1. Was ist und zu welchem Zweck betreibt man „postmigrantische Literaturdidaktik“? 
  2. Literaturdidaktische Perspektiven auf Texte der postmigrantischen Gegenwartsliteratur 
  3. Literaturdidaktische postmigrantische Perspektiven auf Kinder- und Jugendliteratur 
  4. Was ist postmigrantische Arbeit an Kanon? 

Literatur:

Foroutan, Naika et al. (Hrsg.) (2018): Postmigrantische Perspektiven. Frankfurt/M. u.a.: Campus.

Mecheril, Paul et al. (2010): Migrationspädagogik. Weinheim/Basel: Beltz.

Rösch, Heidi (2017): Deutschunterricht in der Migrationsgesellschaft. Stuttgart: Metzler.

Yildiz, Erol (2018): Ideen zum Postmigrantischen. In: Foroutan, Naika et al. (Hrsg.): Postmigrantische Perspektiven. Frankfurt/M. u.a.: Campus, 19-34.

Beiträger:innen:

  1. Jun.Prof. Dr. Karina Becker (Universität Magdeburg)
  2. Prof. Dr. Nazli Hodaie (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd)
  3. Prof. Dr. Michael Hofmann (Universität Paderborn)
  4. PD Dr. Hajnalka Nagy (Universität Klagenfurt)

Kontakt: nazli.hodaie@ph-gmuend.de

 Abstracts der einzelnen Vorträge

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